Aus den uns vorliegenden wissenschaftlichen Gutachten und Studien (Stand August 2025) ergeben sich die folgenden Erkenntnisse:
Die Situation der Jahre 1933 bis 1945
Als anthroposophisch orientiertes Unternehmen stand Weleda während der nationalsozialistischen Diktatur immer wieder am Rande eines Produktionsverbots. Die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland wurde von den Nationalsozialisten zum 1. November 1935 verboten und Anthroposophen gehörten im Dritten Reich zu einer gesellschaftlich ausgegrenzten Gruppe. Vor allem in der Nachkriegszeit sahen sie sich deshalb primär als Opfer. Neuere Forschungsergebnisse, wie die oben aufgeführten, zeichnen hier jedoch ein differenzierteres Bild und kommen zu dem Ergebnis, dass es in anthroposophischen Kreisen Opfer gab, genauso wie Mitläufer und Täter.
Wurde Weleda Frostschutzcreme bei Experimenten an Häftlingen im KZ Dachau eingesetzt?
1943 lieferte Weleda 20 Kilogramm Frostschutzcreme an die Wehrmacht. Die Lieferung ging an die Münchner Privatadresse von Sigmund Rascher, der Stabsarzt bei der Luftwaffe war und für die SS geheime Versuche an Häftlingen im KZ Dachau durchführte. Dabei setzte er Häftlinge Unterkühlungsversuchen aus. Sowohl die GUG als auch das Forscherteam um Peter Selg kommen zu dem Ergebnis, dass es keinen Hinweis darauf gebe, dass Rascher die Frostschutzcreme bei den Versuchen eingesetzt habe. Auch hätten die verantwortlichen Personen bei Weleda keine Kenntnis von den Menschenversuchen Raschers im KZ Dachau gehabt. Peter Selg und seine Kolleg:innen vermuten jedoch, dass einzelne Mitarbeitende von Weleda aufgrund ihrer persönlichen Kontakte zu Rascher möglicherweise trotz der hohen Geheimhaltungsstufe von seinen Versuchen wussten. Aus den Quellen belegen lässt sich dies jedoch nicht.
Ende der 1990er Jahre wurden die Versuche von Rascher aufgedeckt. Weleda erfuhr zu dieser Zeit davon. Daraufhin entschuldigte Weleda sich schriftlich bei der Aktion Kinder des Holocaust (AKdH).
Wie war der Gärtner Franz Lippert mit Weleda verbunden?
Franz Lippert, der als Gärtnermeister den Weleda Heilpflanzengarten in Schwäbisch Gmünd angelegt und geleitet hatte, gab im Herbst 1940 seine Tätigkeit nach 16 Jahren bei Weleda in Schwäbisch Gmünd auf. Ab September 1941 leitete er den biologisch-dynamischen Anbau in den Anlagen der Deutschen Versuchsanstalt (DVA) in Dachau. Die Anlage „Kräutergarten“ gehörte zum KZ Dachau. Lippert blieb bis März 1945. Nach Kriegsende hatte Lippert von 1. April 1947 bis März 1948 einen Beratervertrag mit Weleda. Das Spruchkammerverfahren gegen Lippert wurde im September 1948 mit der Begründung eingestellt, dass der Betroffene „überhaupt nicht belastet ist“. Laut eidesstattlicher Erklärungen von ehemaligen Häftlingen versuchte Lippert immer wieder, die Situation der Häftlinge zu erleichtern. Lippert verstarb 1949 nach Krankheit.